Am Freitag werden es 4 Wochen, dass ich mein Pferd gehen lassen musste.
Forever war 29. Ja, für ein Pferd ist das durchaus ein schönes Alter.
Vor allem, wenn es viele Jahre in früheren Zeiten kein so tolles Leben genießen konnte.
Ja, ich wusste natürlich, dass der Tag kommt. Aber das macht es nicht leichter.
An mein Pferd
Vor fast 18 Jahren kamst Du in den Stall, wo ich viele Stunden meiner Kindheit und Jugend verbrachte.
Die Stallbesitzerin päppelte Dich etwas auf. Trotzdem hast Du immer noch sehr schlimm ausgesehen, als ich Dich nach zwei Monaten kaufte.
Viel zu dünn, einige körperliche „Baustellen“, misstrauisch, und ein viel zu dünnes Nervenkostüm.
Meine Mutter fragte mich, ob ich mir das gut überlegt habe. Ich wusste es nicht.
Ich wusste nur, Du gehörst zu mir.
Forever vor fast 18 Jahren, als er zu mir kam
Oft kam ich bei Dir an meine Grenzen
In jeder Hinsicht.
Ratlosigkeit, Stress, Hilflosigkeit, Verzweiflung.
Meist wusste ich, was ich für uns nicht wollte.
Aber die passenden Wege zu finden, die ich mir für uns wünschte, war nicht leicht.
Ich spürte bei Vielem, dass etwas nicht stimmt, und versuchte das „Richtige“ zu finden.
Viele unterschiedlichste Meinungen, die sich allesamt nicht stimmig anfühlten. Das machte es nicht einfach, Entscheidungen zu treffen.
Mit 18 Jahren hättest Du eigentlich nicht mehr da sein dürfen aufgrund gesundheitlicher Themen. Das wurde uns in Aussicht gestellt, als du 16 Jahre alt warst.
Aber damit wollte ich mich nicht abfinden. Und Du hattest auch andere Pläne!!
Genüsslich im „Gatsch“ wälzen war immer eins Deiner besonderen Highlights 🙂
Du hast mich lernen lassen
Angefangen von gesundheitlichen Themen, über das Reiten, den passenden Sattel und den Zaum, die Hufpflege, die Bodenarbeit, die Fütterung, das Heu, die Einstreu, die Haltung, …
Lange Zeit war es ein immer währendes Suchen, ein Fehler machen, „Auf die Nase fallen“ und Lernen. Bis ich endlich zu den Menschen kam, deren Wissen für mich stimmig ist.
Hinaus aus Ängsten, Selbstzweifeln und Zweifeln.
Hinein in die Klarheit.
Hinein auch in die Klarheit, welche Menschen mein Vertrauen verdienen.
Ich machte viele Kurse und Ausbildungen zu allen möglichen Themen, um endlich herauszufinden was für Dich das Beste ist.
Sogar bis nach Andalusien führte mich meine Suche, zum Reittraining bei Jean-Claude Dysli. Dieser großartige Horseman berührte mich sehr mit seiner herzlichen Verbindung zu den Pferden. Es waren wunderschöne Tage.
Oft war es aber auch ein schmerzhaftes Lernen
Denn es hieß, Entscheidungen zu treffen, die mir ganz und gar nicht leicht fielen. Es hieß auch, mich von lieb gewordenen Menschen zu trennen.
Wenn es nicht anders ging, weil ich mit Dir in einen anderen Stall ziehen musste. Weil ich sah, dass Du etwas Anderes brauchst.
Oft wurde ich belächelt, gewarnt.
Was ich tat, war falsch. Was ich nicht tat, war auch falsch.
Ich tat zuviel, ich tat zu wenig, oder ich tat auf jeden Fall nicht das Richtige.
…„Du wirst schon sehen was Du davon hast“ oder „Es ist nur ein Tier“ oder „Das ist halt so, da kann man nichts machen“,…
Bis hin zu Vorwürfen, nicht genug zu tun. Was weh tat und mich verzweifeln ließ. Denn es kam auch alles Dir zugute, was mir an Zeit und Geld möglich war.
Fast 18 Jahre lang waren wir Seite an Seite
Wenn es Dir nicht gut ging, war ich bei Dir, so viel es möglich war.
Wenn ich Dich leiden sah, brach es mir das Herz.
Gleichzeitig waren die traurigsten Zeiten so wertvoll.
Ich durfte soviel daraus lernen, und Du hast mir immer mehr vertraut.
Immer enger wurde unsere Verbindung.
So viele Vorwürfe machte ich mir immer wieder, weil ich sehr vieles anders gemacht hätte, wenn ich es besser gewusst hätte. Aber ich habe daraus gelernt.
Danke, dass du mir die Chance gegeben hast, zu lernen und zu wachsen.
Danke, dass Du mich dabei geführt hast! Auch wenn ich es in den schwierigen Momenten nicht immer sehen konnte.
Forever mit 29 Jahren
So viele schöne Erinnerungen
Es ist schmerzhaft und zugleich tröstlich, in all unseren Fotos zu stöbern.
So viele schöne Erlebnisse, so viele liebevolle zwei- und vierbeinige Wegbegleiter.
Alte Videos vom Galopp über den langen Wiesenweg, wo Du mehr dahingeflogen bist als gelaufen.
Du hast Dich immer so gefreut, wenn Du laufen durftest, hast die Nase vorgestreckt und Dir den Wind um die Ohren sausen lassen.
Wir waren frei und haben unsere Ausritte so sehr genossen.
Sovieles, wofür ich Dir dankbar bin
Durch Dich lernte ich so viele großartige Menschen kennen.
So viele Menschen, die uns beiden viel geholfen haben.
Und so viele tolle Pferde, die mich Vieles lehrten.
Doch das Meiste habe ich durch Dich gelernt, und auch das Wichtigste:
Den Weg zu mir selbst.
Das, was Du mich gelehrt hast, war immer mehr ein hinausgehen über meine Grenzen.
Dem zu vertrauen, was ich tief in mir weiß. Meiner Intuition zu folgen.
Sich dafür öffnen, und dem vertrauen, was kommt
Allen Befürchtungen und Bedenken zum Trotz, habe ich Dich vor knapp einem Jahr weit weg von mir zuhause untergebracht. Es war keine leichte Entscheidung für mich, denn zuvor war ich täglich bei Dir im Stall. Oft auch mehrmals am Tag.
Ich habe so sehr vertraut, die Kontrolle losgelassen, und es nicht bereut.
Im vergangenen Jahr hattest Du das schönste Leben, das ich mir davor nicht mal zu erträumen gewagt hätte.
Du bist auf der Sommerweide galoppiert mit Deinen beiden Stuten, hast mit den Jungs gespielt.
Hast Dir Dein Futter schmecken lassen, die Wiese geliebt.
Das Wälzen im Viereck genossen, und Dir mit den anderen Pferden die Sonne auf den Rücken scheinen lassen in euren Relaxstunden.
Das Auenland war Dein wahres Zuhause, und gemeinsam haben wir es von Herzen genossen.
Ich bin sehr dankbar für die großartigen Menschen und Pferde, die uns auch bei unserem Abschied mit ganzem Herzen beigestanden sind.
Unser gemeinsamer Weg
Durch Dich kam ich vor einigen Jahren zur Tierkommunikation.
Die Verbindung zu Dir zu spüren, war vor allem in den letzten Wochen sehr tröstlich für mich.
Ich weiß dass es Dir gut geht.
Ich sehe Dich auf den Wiesen galoppieren.
Mit einer Nasenlänge läufst Du vor den anderen Pferden.
Frei, voller Kraft, Freude und Energie.
Ich glaube fest daran, dass unsere Tiere nicht zufällig bei uns sind
Sie lehren uns soviel, wir müssen nur den Mut haben, ihre Botschaft anzunehmen.
Du hast mich gelehrt, dass es immer neue Wege gibt. Wenn es an der Zeit ist, kann man sie sehen.
Du hast mich gelehrt, an Wunder zu glauben. Du hast mir gezeigt, dass es sie gibt.
Du hast mir immer wieder gezeigt, wie wichtig die Verbindung zum eigenen Körper ist
…Den Körper achten, bewusst und geerdet sein.
…Nahrung zu sich nehmen, die dem Körper gut tut.
…Das Lösen von Blockaden.
Du hast mich zur Craniosacralarbeit und der energetischen Arbeit geführt. Es war so schön, Dir damit beitragen zu können!
…Und natürlich Bewegung!
Ein pferdegerechter Stall mit toller Versorgung,
und unsere Übungseinheiten nach der Akademischen Reitkunst haben Dir geholfen, trotz Arthrosethemen mit Deinen 29 Jahren sehr fit unterwegs zu sein.
Unsere Trainerin Viktoria Portugal hat einen Blogartikel geschrieben über unser Training, an dem wir beide viel Freude hatten.
Nie werde ich vergessen
…wie weich Dein Fell ist,
…deine frechen und sanften Nasenstupser,
…deinen süßen Gesichtsausdruck, wenn ich dich an den richtigen Stellen kraule,
…wie sehr du das Laufen geliebt hast,
…und wie du deine Lieblingsbeschäftigung in deinen „reiferen“ Jahren auf das Fressen verlagert hast
Und so vieles mehr.
Danke, dass Du mein Begleiter bist!
Du bist immer in meinem Herzen, mein kleines freches Pferd!
Andrea
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